Utes Rückblick
Vor ziemlich genau 45 Jahren habe ich den…

Vor ziemlich genau 45 Jahren habe ich den Entschluss gefasst, einen der wohl schönsten Berufe zu erlernen und Fotografin zu werden. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Mit meinen Eltern zusammen wurde das abbruchreife Haus in der Halleschen Straße 12 saniert und umgebaut und im Februar 1981 haben wir das Fotostudio Ahlhelm eröffnet. Mit einem winzigen Laden, einem kleinen Studio, Dunkelkammern und Nasslaboren, einer Trockenmaschine aus dem Jahr 1921, einer Großformatkamera, einigen Praktika Spiegelreflexkameras und Blitzgeräten, so groß wie eine Handtasche und auch so zu tragen… Ich trauere der alten Zeit keinesfalls nach. Aber wir haben unzählige schöne Erinnerungen daran.
Ich konnte meine Kreativität ausleben, viele Ideen umsetzen und habe mich zur Fotografenmeisterin qualifiziert.
Den lästigen Bürokram, zu DDR-Zeiten noch sehr übersichtlich, hat meine Mutti Erika erledigt und mir so den nötigen Freiraum ermöglicht.
Nach der Wende erfolgten weitere Umbauten, Ladengeschäft und Studio wurden vergrößert, die Laborräume zurückgebaut. Die Rückforderung eines weit entfernten Erben des ehemaligen Besitzers des Hauses stellte zu diesem Zeitpunkt schon einmal alles in Frage. Es war schon bitter, den aktuellen Wert des Gebäudes auszahlen zu müssen, obwohl wir es saniert hatten!
Aber es ging weiter… Mit unzähligen, nun farbigen Amateuraufträgen, und dem Verkauf von Fototechnik und Zubehör. Und mit bis zu 9 Angestellten.
Im Jahr 2000 hat sich meine Mutti dann zurückgezogen und ich habe das Geschäft mit damals 7 Mitarbeitern übernommen. Nun stürzte die ungeliebte Bürokratie auf mich ein. Im Laufe der Zeit wurde das leider immer mehr und komplizierter, und musste neben dem eigentlichen Beruf erledigt werden.
Ich habe mehrere Lehrlinge ausgebildet, die meisten davon arbeiten heute in anderen Jobs. Mein erster Lehrling, Manuela, hat mich fast 28 Jahre begleitet, mein letzter Lehrling Linda inzwischen schon 12 Jahre. Meine Schwester Kathrin, guter Geist des Ladens, seit 27 Jahren, bis heute fester Bestandteil des Teams.
2003 erfolgte die Umstellung von analog auf digital – eine Herausforderung. Investitionen in neue Technik war nötig, die alte war nun plötzlich nichts mehr wert. Dann der Entschluss, keine Technik im Geschäft mehr zu verkaufen. Erneuter Umbau des Ladens,
der Arbeitsräume und des Studios.
Zu unserem Schwerpunkt wurde die Portraitfotografie. Durch die Digitalisierung konnte man nun Kreativität auf noch ganz andere Art ausleben. Es machte Spaß und gefiel unseren Kunden. Die Teilnahme an bundesweiten Wettbewerben war erfolgreich, einmal wurde es Platz 1.
Die rasante Entwicklung der digitalen Fotografie verlangte uns so Einiges ab, bot aber wiederum neue Möglichkeiten, welche wir entsprechend nutzten.
Wir konnten uns am Markt behaupten und waren ein fester Bestandteil Eislebens.
2019 dann der Entschluss noch einmal neu durchzustarten, kleiner aber feiner.
Mit modernster Technik, um den vielen Anforderungen standzuhalten, und einem freundlichen, hellem Studio. Etliche Berufskollegen hatten zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben. Das war für uns keine Option. Das Haus der Großeltern auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde saniert, im Erdgeschoss sollte der neue Laden entstehen. Unzählige Familienaktionen am Wochenende, viel Schweiß, Organisationsarbeit, Beräumung des bisherigen Fotogeschäfts und dann liebevolle Einrichtung des neuen Ladens, Studios und der Arbeitsräume. Wir waren stolz auf das Geschaffte und freuten uns auf den Neustart.
Dann – Corona – viele weitere Berufskollegen gaben auf. Wir haben es irgendwie geschafft. Kaum davon erholt – Energiekrise – weitere Geschäftsfelder fielen weg. Gerade hatten wir in neue Unterwassertechnik investiert, und es fanden z.B. keine Babyschwimmkurse mehr statt, bis heute. Streit mit Versicherungen. Und ein langwieriger Prozess um nicht genehmigtes Kurzarbeitergeld, leider ohne Erfolg. Druck von vielen Seiten. Und dazu meine Akribie und der Anspruch an mich und meine Arbeit.
Ende 2023 konnte ich dem nicht mehr standhalten.
Kathrin, Manu und Linda führten die Geschäfte auf sich allein gestellt weiter. Das funktionierte sehr gut. Aber es wurde nicht leichter… KI, immer bessere Amateurtechnik, die neue Passverordnung… Mit hoher Geschwindigkeit ändern sich Technik und Bearbeitungsprogramme. Allgemeine Anforderungen werden höher. Neue Investitionen wären erneut nötig. Professionelle Portraitfotografie ist Luxus geworden. Die Aussichten für das Weiterbestehen eines Fotostudios in dieser Form sind nicht gut. Unter den gegebenen Umständen war keiner der Mädels bereit, das Geschäft weiterzuführen.
Und deshalb haben wir gemeinsam beschlossen unseren Laden und das Fotostudio zum Ende des Jahres 2025 zu schließen.
Gedanken und Aufarbeitung
Ich bin traurig. Aber gleichzeitig blicke ich mit Stolz auf die letzten 45 Jahre zurück.
Über diesen langen Zeitraum habe ich viele Menschen fotografisch begleitet, vom ersten Freundschaftsbild, unzählige Hochzeiten, habe das Aufwachsen der Kinder, dann auch deren Hochzeit und deren Kinder fotografiert. Wie viele Kindergartenkinder, Einschulkinder, Jugendweihlinge und Abiturienten ich fotografiert habe… überschlagen wohl um die 50.000.
(Sorry, wenn ich Diesen oder Jenen heute nicht mehr erkenne…)
Dank meines Berufes kenne ich mich in (fast) jeder Ecke Eislebens aus, habe unzählige, unterschiedlichste Menschen getroffen.
Einige davon sind zu Freunden geworden. Und ich durfte viel lernen.
Ich habe sichtbare Erinnerungen geschaffen, in einem der schönsten Berufe, die es wohl gibt – oder realistisch gesehen – gab!
Ich habe ein wunderschönes Portrait meiner Oma vor Augen.
Wenn ich mir heute die unzähligen verzerrten, mit zig Filtern verfälschten Selfies anschaue, wünsche ich mir, dass eine Zeit kommt, in dem ein ordentlich ausgeleuchtetes, realistisches Portrait wieder an Bedeutung gewinnt.
Unser Lebenswerk hätte ich gerne übergeben oder selbst noch ein paar Jahre weitergemacht… es sollte nicht sein. Loslassen fällt schwer!
Das Fotografieren wird mich mein ganzes Leben lang begleiten. Egal, in welcher Form auch immer!
Und die drei Fotomädels? Danke Schwesterherz Kathrin, Manu und Linda, fürs gemeinsame Arbeiten, kreativ sein und die schöne Zeit zusammen.
Wer weiß, wo wir uns alle mal wiedersehen.
Ute
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